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  • AutorenbildSimon Fasano

Day 27 - Verflossene Liebe

Während ich damit beschäftigt war, die Reduktion meiner Flotte zu orchestrieren, sass ich in meinem gemütlichen Sessel - genau dort, wo ich vor etwa 5 Wochen bereits vorausgesagt hatte, zu sitzen. Ich gönnte mir gerade eine Pause und blicke aus dem Fenster, um ein wenig die benötigten Vitamin-D-Reserven aufzufüllen, als es plötzlich aus dem Nichts auftauchte. Plötzlich war SIE da! Das kann unmöglich sein! Christine glänzte im perfekten Licht und strahlte wie die Sonne direkt in meine Augen. War es nur eine Vision oder vielleicht doch der majestätische Anblick inmitten der monotonen Kakophonie deutscher, oberer Mittelklassewagen und überdimensionales Mami-Taxi zukünftiger Ronaldos?


Zugegeben, ich hatte in meinem ganzen Leben zuvor noch nie eine Christine gesehen - und was für eine Schönheit sie doch war! Da stand sie also, in ihrer zweifarbigen weiss-feuerroten Lackierung, die Fenster heruntergekurbelt, wie soeben aus dem Süsswarenladen entsprungen. Natürlich konnte ich es nicht lassen, sie von nah zu betrachten. Ich ging also nach draussen, um Christine zu bewundern und lobte sie für ihre üppigen Kurven. Warst du beim Work-out Christine? Doch dann besann ich mich des Lockdowns und dessen, was die Nachbarn wohl denken würden. Also ging ich wieder rein, versprach aber wiederzukehren.


Da sass ich also wieder auf jenem Sessel, auf dem ich vor etwa 5 Wochen bereits vorausgesagt hatte, zu sitzen. Und Christine und ich tauschen Blicke aus. Ich träumte davon mit ihr eine Spritzfahrt den See entlang zu machen, während wir ununterbrochen Rebel Rouser hören. Ding-Ding-Ding-Ding-Ding, Klatsch-Klatsch-Klatsch, Ding-Ding-Ding, Klatsch-Klatsch-Klatsch, Bumm! Bumm? Moment, was ist das denn? Das kann unmöglich sein!


Ja, das Geräusch war genau das, was ich befürchtete! Ich beobachte, wie die Nachbarskinder mit einem Fussball vorbeigingen und erstarrte vor Entsetzen. Tief in mir drin hoffte ich, dass diese Bengel den direkten Weg zum Spielplatz nehmen und Christine in Ruhe lassen. Aber nein, der kleinere der beiden beschloss, sie mit seinen schmutzigen kleinen Händen zu berühren. Ich wusste nicht wo mir der Kopf stand, fühlte mich machtlos, beobachtete das Geschehen weiter durch die Jalousien meines Schlafzimmers, als wären es Gitterstäbe einer Zelle. Ich musste etwas unternehmen, aber was nur? Schliesslich war es weder mein Wagen noch meine Kinder. In Panik schaute ich mich im Zimmer um und versuche, mir alles Mögliche auszudenken, um meine Christine vor Beulen und Läusen zu bewahren. Baseballschläger? Nein, ich wollte kein Blut an meiner Vintage-Keule. Pfefferspray? Nein, womöglich brauche ich es noch für den Salat später. Kissen? Zu flauschig. Furzende Bulldogge? Perfekt!


Ich muss kurz erklären, dass die Nachbarskinder aus einem kulturellen Hintergrund stammen, der Hunde nicht unbedingt bevorzugt und in früheren Begegnungen habe ich zudem bemerkt, dass sie sich regelrecht in die Hosen gemacht haben, beim Anblick eines Hundes. Selbst bei meiner kleinen, geliebten und stinkende Hündin mit Überbiss machten sie keine Ausnahme. «Hund (richtiger Name, der Redaktion bekannt), es ist Zeit für einen Spaziergang!» Ich brauchte nur einen Fuss auf den Vorplatz zu stellen, schon machte sich das Duo mit einer Geschwindigkeit aus dem Staub, die jedes Antifa-Mitglied, welches mit einem Wasserwerfer oder einem Jobangebot konfrontiert wird, mit Stolz erfüllen würde.


Ja Christine, du bist wieder sicher! Ich begab mich indes wieder zurück in meine Lockdown-Zelle, um mit der Verkaufsförderung meiner Flottenreduktion fortzufahren. Aber zuerst brauchte ich einen Kaffee, um meine Nerven zu beruhigen und auch, um meine stolze Leistung zu feiern. Was sollte ich mir gönnen? Mocca oder Instantkaffee? Koffeinfreien, aromatischen oder vielleicht doch diesen Kopi-Luwak-Kack? Ich brauchte fix einen und zwar sofort, also begnügte ich mich mit dem Instant-Zeugs. Während der Wasserkocher zischte, hörte ich plötzlich ein donnerndes Rumpeln und für einen Moment fühlte ich, als ob die Uhr einen Takt übersprang. Das war Christine! Das tiefe Brummen ihres V8-Motors ertönte wie eine Symphonie, die jedem Teslafahrer gewidmet ist. Ja liebe Grünliberale, so hört sich ein richtiges Auto an.


Ich eilte zurück in meine Zelle und konnte nur noch sehen, wie Christine rückwärts aus dem Parkplatz fuhr. Sie raste dem Sonnenuntergang entgegen, hatte aber die Höflichkeit, sich ordentlich zu verabschieden. Sie hupte zweimal und klang dabei wie ein Nebelhorn auf einem Frachtschiff. Bye Christine, bis dass wir uns wiedersehen!


Da sass ich also wieder, in meinem gemütlichen Sessel; genau dort, wo ich vor 5 Wochen vorausgesagt hatte, zu sitzen.


Bis bald,

Simon



PS 1: Christine ist ein 58 Plymouth Belvedere aus dem gleichnamigen Horrorfilm «Christine».


PS 2: Das Portrait von Simon und seinen ersten Text findest du hier.

 

Leche frita


Diese nordspanische Süsspeise isst man traditionell zu Ostern.


Das Rezept ist ganz einfach. Du kannst es bei Betty Bossi nachlesen.

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