Es ist Tag 19 der Gefangenschaft und soweit läuft alles gemäss Plan. Ich sitze gerade auf dem Sessel, welcher ich bei einem Besuch bei meinen Eltern in Olten, gratis auf der Strasse aufgelesen habe und dann zurück ins Exil an die Zürcher Goldküste exportierte.
Wieso dieser Logbuch-Eintrag? Als das Tessin in Erwägung zog einen provisorischen Shutdown zu implementieren schellten bei mir alle Alarmglocken. Ich studierte eine Karte um mich zu vergewissern wie nah und doch realitätsfremd das Tessin ist. Danach ernannte ich mich kurzerhand zum Krisenstabs-Chef meines Haushaltes und die Sache war gegessen.
Als selbsternannter Krisenstabs-Chef lastet eine gewaltige Verantwortung auf meinen Schultern, da ich mich um das Wohlbefinden meiner 3 Hähnchen kümmern muss. Bei den Hähnchen handelt es sich nicht effektiv um Geflügel, sondern um meine Partnerin die ich umgehend zur Oberleutnantin der Kombüse beförderte, um ihre 12-jährige Tochter, momentan immer noch ohne Marschbefehl aber mit strikter Anweisung was das Leeren der Geschirrspülmaschine anbelangt, sowie um Heidi, unsere kleine weisse Französische Bulldogge, welche sich um die Sicherheit kümmert, wenn auch nur mittels Flatulenzen.
Ihr seht, auf mir ruhen die Lasten von Atlas. Nach dem Mittag hielt ich mit unserer Truppe eine Krisensitzung, welche auf stumme Ohren stiess, da im Hintergrund gerade eine Sendung lief und ich nicht mit der Moderatorin mit lispelndem Sprachfehler mithalten kann. Auf jeden Fall konnte ich die Oberleutnantin der Kombüse überzeugen, dass es hier um Leben und Tod geht und dass wir auf jeden Fall bis Mitte 2022 Proviant organisieren müssen.
Nach einer intensiven Verhandlung, motiviert von angeblich fehlenden Tassen in fiktiven Schränken, limitiert von Finanzen und nicht letztlich vom fehlenden Platzangebot für Viehzucht in unserer Mietwohnung, konnten wir uns auf 3 Wochen einigen. Bewaffnet mit allen Kundentreuekarten stiegen wir in unser Fortbewegungsmittel. «Du musst noch das Flugzeug aus dem Kofferraum nehmen!» Erwiderte die Oberleutnantin der Kombüse. «Welches Flugzeug? Ah das!» Beim Flugzeug handelt es sich um einen Modellflieger, welchen ich gratis von einer Auktionsseite ergatterte. Leider kam es ohne Fernsteuerung, daher musste ich kurzerhand den Südflügel des Kombis als Hangar einsetzen. Also fuhren wir voller Tatendrang und leerem Kofferraum in Richtung Insel des Konsums. Zuhause wieder angekommen fühlte ich mich wie ein Cumulus-Millionär. Denen haben wir es heute richtig gezeigt. 2-fache Superpunkte UND 20x Punkte auf Broccoli. Eine Packung Zwieback mehr und der orange Riese wäre Konkurs gegangen.
Zurück zum Wesentlichen. Ich habe die Krise von Anfang an ernst genommen und daher konnte ich uns fürs die Lage sehr gut vorbereiten. Psychologisch gesehen, geht es uns blendend, denn die Oberleutnantin der Kombüse, Heidi und ich gehen selten getrennte Wege. Der Kleinen mussten wir den Ernst der Lage erklären und wir versuchen ihr den Alltag so gut wie möglich zu gestalten. Da ich viele Jahre im Ausland war, bin ich in regem Kontakt mit meinen Freunden, die in den verschiedensten exotischen Ecken und Kanten der Welt verstreut sind. Sei es Kanada, Taiwan, Indien oder Thurgau. Es geht allen gut und wir vergleichen stets die Situation und den Ernst der Lage.
Meine ehemalige Klassenkameradin in Kanada, welche mir jedes Jahr eine Weihnachtskarte sendet, bestätigte mir, dass Manitoba sehr gut auf den ansteigenden Influx der Infizierten vorbereitet ist. Sie fragte mich, ob wir welche neuen Hobbys in Angriff genommen haben, um die Langeweile der Quarantäne zu bewältigen. Ich konnte ihr bestätigen, dass die Kleine mit Ritalin angefangen hat und sehr gut darin geworden ist und dass wir uns mit Codein profilieren, die Zeit vergeht darum wie im Flug. Sie musste lachen, und sagte, dass sie erst beim Rotwein sei. Na gut, in Kanada ist ja das Virus auch noch nicht so ausgebreitet wie bei uns. (Für jene Leser, die an Ironieschwäche leiden: das war lediglich ein Scherz.)
Ja, wir akzeptieren die momentane Situation und versuchen das beste daraus zu machen. Ich sitze auf meinem Opa-Sessel im Schlafzimmer und lese oder schreibe etwas und überlasse den Fernseher den 3 Hähnchen. Moment, ausser Heidi, sie kann die Fernbedienung nicht betätigen, da sie gar keine Daumen hat und sowieso liegt sie lieber bei mir. Ich denke aber - jetzt insbesondere - dass man diesen sozialen Nullpunkt als Vorteil nutzen sollte, um etwas Negatives in etwas Positives umzuwandeln. Wir haben den ultimativen Luxus, nämlich Zeit. Und genau jene Zeit sollten wir nutzen, um planmässig etwas zu erreichen. Damit, wenn wir endlich vom Corona zum Feldschlösschen übergehen können, einen ultimativen Frühstart zurück ins Leben finden.
Eigentlich bin ich Schriftsteller, und schon seit Jahren an einem Buch dran. Gestern ist endlich die Festplatte per Post eingetroffen, damit ich was ich angefangen habe, zu Ende führen kann. Anstatt mich zu beklagen, freue ich mich jeden Tag auf genau diese Routine, um mich im Stillstand profilieren zu können. Dies mache ich, indem ich mache, was ich mache. Nämlich, alle Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um gesund zu bleiben, anderen Personen zu helfen und das Buch fertigzustellen.
Ich beende hiermit meinen ersten Blogpost mit den Worten des grossen Dr. Martin Luther King Jr.: «Wenn Du nicht fliegen kannst, dann laufe. Wenn Du nicht laufen kannst, dann gehe. Wenn Du nicht gehen kannst, dann krabble. Aber was auch immer Du machst, Du musst Dich nach Vorne bewegen.»
In diesem Sinne, wünsche ich Euch einen virtuellen Ellbogen-Check.
Stay safe and healthy,
Simon
Spätzlipfanne
(für 2 Personen)
2 Portionen Spätzli zubereiten
300 g Champignons
1 Zwiebel
2 EL Olivenöl
1 Zucchetti
1 Tomate
1 dl Weisswein
1 dl Rahm
Salz
Petersilie
Parmesan
Zwiebel kleinschneiden und in einer grossen Bratpfanne mit Öl andünsten. Danach die kleingeschnittenen Champignons, Tomate und Zucchetti beigeben, weiterdünsten. Danach mit Weisswein ablöschen. Würzen. Rahm beimischen und leicht aufkochen. Spätzli dazu. Alles gut verrühren. Auf einem Teller anrichten und Petersilie und Parmesan obendrauf geben. E Guete!
Simon Fasano
38-jähriger multilingualer Autor, der viel gereist ist und noch mehr gesehen hat. Er liebt den Sarkasmus und die Wort-Akrobatik, ist gutmütig und selbstlos. Simon kann Geschichten erzählen wie kein anderer, denn er hat mehr Abenteuer erlebt als 10 von uns. Das Basketball hat den gebürtigen Oltner in der prägenden Zeit seines Lebens in die Staaten gezogen. Deswegen schreibt er standardmässig auf Englisch - auch in seinem noch unveröffentlichten Buch. Er wohnt in Herrliberg und steigt in seiner Freizeit, nur mit Taucherbrille und Wäschenetz bewaffnet, in die Untiefen des Zürichsees, um Gegenstände zu bergen, die dort nicht hingehören.
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